Von Ernst das fünfft.

[9] Eim Knecht ward Urlob geben.


Uf ein Zeit was ein reicher Man, ein Her, der was ein Buler, der het ein Knecht, der was vil Jar bei im gewesen. Es was ein anderer reicher Man, der het denselbigen Knecht auch gern gehebt. Der Knecht sprach: ›Ich wolt gern zů euch dingen, so wil mir mein Her nit Urlaub geben.‹ Der Her sprach: ›Fach du an und sag im die Warheit, so würt er dir Urlaub geben.‹ Der sprach: ›Ich wil es thůn.‹

Nit lang darnach sprach sein Her zů im: ›Gang und heiß mir das Metzlin kumen!‹ Der Knecht sprach: ›Her, das ist der Eebruch; ir solten es nit thůn‹, und dergleichen. Und der Knecht sagt dem Herren alwegen die Warheit. Der Her sprach uff einmal: ›Du und ich gehören nit me zusamen; du bist mir zů verwürt worden. Darumb so kum her, so wöllen wir mit einander rechnen!‹ Und bezalt in der Her und gab im Urlaub. Also kam der Knecht zů dem andern Herren, der mit im geret het.

Darumb geistlich, so hat die Warheit kein eigne Herberg, niemans hört sie gern sagen. Ursach: Cristus der Her sprach in dem Evangelio (Mathei 10: Nemo potest): ›Es mag nieman zweien Herren dienen, die wider einander sein.‹ Darumb ist schier alle Welt falsch, und dienen dem Herren der Falscheit; so hasset jederman den andern Herren, die Warheit, und wil sie niemans me beherbergen.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 9-10.
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